Chefchaouen

„Das Blau hat mich! Ich brauche nicht mehr nach ihm zu haschen. Es hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunden Sinn: Ich und das Blau sind eins. Ich bin Maler.“ Zugegeben, Paul Klee meinte mit diesen Worten nicht Chefchaouen in Marokko, sondern Sidi Bou Said in Tunesien. Dennoch gibt es kaum ein Zitat, das die künstlerische Ansicht von Chefchaouen besser beschreiben könnte. Denn blau blau blau leuchtet es von überall. Eine Hauswand schöner als die andere und alle in unterschiedlichen Tönungen. Daneben dann die bunten Tücher, die Teppiche, die vor den Geschäften hängen, und immer wieder mal eine orangefarbene Tür. Das ist ein wirkliches Spektakel für die Augen und zieht nicht nur Künstler in seinen Bann.

 

Seinen Namen erhielt die Stadt von den beiden Bergen, die als Kulisse dienen: dem Djebel Tisouka (2050 m) und dem Djebel Meggrou (1616 m), die nebeneinander aussehen wie die Hörner eines Stiers: chaouen. Das „Chef“ davor kommt vom arabischen schuf − schau! (Schau, die Hörner!), wird in Marokko aber gar nicht gesprochen. Hier heißt die Stadt einfach Chaouen.

 

Chefchaouen − bis 1920 sicher vor den Blicken der Europäer − gilt als heiliger Ort des Islams. Die schöne Stadt liegt steil an einen Hügel geschmiegt und schaut auf eine bewegte Geschichte zurück. Gegründet wurde sie 1471 von Moulay Ali Ben Rachid als Stützpunkt gegen die Spanier und Portugiesen, die immer weiter ins Landesinnere vordrangen. 1492 fiel Granada und es war gut, dass Chaouen bereits existierte. Denn die Mauren flohen hierher und gaben der Stadt ihr heutiges Aussehen: andalusisch, maurisch. Aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen in Andalusien verboten sie allen Christen den Zutritt zur Stadt, was schnell dazu führte, dass man die ganze Stadt als „heilig“ einstufte, obwohl sie kein einziges islamisches Heiligtum besaß. 1920 jedoch rückten die Spanier ein und besetzten die Stadt, doch konnten sie sich nicht halten. Abdel Krim (s. S. ###), der nordmarokkanische Widerstandskämpfer, holte sich mit seinen Truppen die Stadt zurück und rief von hier aus die Rif-Republik aus. Auch wenn er die Stadt nur bis 1926 halten konnte, die Spanier sie wiederbekamen und bis 1956 behielten, brachte dies Chefchaouen den Ruf ein, sich den Europäern nicht zu beugen.

 

Damals wie heute lebten die Menschen dieser blauen Stadt vom Handel und der Landwirtschaft, zwischen dem 15. und 20. Jh. vor allem durch die gute Lage an den Handelswegen zwischen Fes und Tetouan, heute durch den Handel mit Touristen. Keine blaue Gasse ohne fotografierwütigen Ausländer, kein Café ohne rastagelockte Youngster, fast keine Straße ohne Souvenirladen. Chefchaouen ist aber auch zu malerisch, um es auszulassen!

 

Die Stadt teilt sich in eine Alt- und eine Neustadt. Am Bab el Ain, im Südwesten der Medina, treffen sich die beiden.

(aus: Stefan Loose Travel Handbuch Marokko , 2017)